9:00 Uhr am Morgen landet das Flugzeug in Alghero. Ein grauer Himmel ist nicht gerade das, was wir uns als Begrüßung vorgestellt haben. Doch die Männer lassen sich davon nicht schrecken und beschließen auf den Weg nach Cala Ganone einen Abstecher zum Capo Testa. Etwas lustlos stimmen wir zu. Bei dem Wetter klettern, macht eben nicht jedem Spaß und dann noch im Granit…
… nun dieser Granit hatte es in sich. Kleine bis mittlere, scharfkantige Kristalle machten das Klettern zu einem wahren Vergnügen. Nichts von der gewohnten Granitglätte. Reibungstraining war die Folge, wenn mann/frau unbedingt wollte. Die Hakenabstände waren akzeptabel. Im Rücken rauschte das Meer und die Sonne hatte es geschafft, den Großteil der Wolken zu vertreiben. — Diese Formen. Granit und Sandstein, hier hatten sie sich gefunden, bildeten in trauter Zweisamkeit die bizarrsten vom Wind geschliffenen Formen.
Schon letztes Jahr verbrachten wir eine Woche in Cala Gonone, aber trotzdem schafften wir es in den verbleibenden sieben Tagen jedes Mal ein neues Klettergebiet in Umkreis aufzusuchen.
Bei alten Eichen musst du vom Wege abweichen, sagte das Buch, als Beschreibung zu Buchi Arta. Im Sommer dürften die knorrigen Veteranen die Temperaturen im Innern der parkenden Autos auf einem erträglichen Level halten. Und hier befindet sich nach Aussage des Kletterführers eine Wand, welche die Erschließer geheim halten wollten. Es ist eine passable nicht polierte Kalkwand. Die Haken sind in vernünftigen Abstanden gesetzt. Nur leider fehlen diese in einigen Routen bereits. Mitgebrachtes Essen sollte vogelsicher verstaut werden. Die heimischen Rotkelchen betrachten Freiliegendes als Einladung zum Essen.
Doloverre die Surtana im nahen Gebiet von Dorgali hatte es uns am nächsten Tag angetan. Klassisch oder Sportklettern, das kann man hier selbst entscheiden. Kurze oder lange Routen stehen zur Auswahl. Vom 3. bis zum 7. Schwierigkeitsgrad ist hier alles zu finden. Also ein Gebiet, welches sich auch für Kletterer im unteren Teil der Schwierigkeitsskala eignet. Und wessen Bedürfnisse trotz allem nicht befriedigt werden, der sollte durch die Landschaft entschädigt sein. Der Zustieg erfolgt zuerst auf einem Weg entlang eines Flusses. Sobald eine nur für Fußgänger passierbare Brücke überquert ist, zweigt nach einigen hundert Metern ein Weg nach links in die hundert Meter hohen Felswände ab. Wer nicht nur nach oben sondern auch in die Nahe Umgebung schaut, wird im Frühling gelbe Flecken mit Osterglocke und Zitronenfaltern entdecken. Eidechsen flitzen wie überall in Sardinien auch hier über die Wege und neben all dem Anderen, was hier durch die Gegend kreucht und fleucht, wird manch einer auch einen Ölkäfer finden. Alles in allem ein Gebiet nicht nur für Kletterer, sondern auch Wanderer. (Für Kinder sind die Felswände eher nicht geeignet.)
Biddiriscottai, mal abgesehen von La Poltrona gibt es in Cala Ganone kein dichteres Klettergebiet. Schon von Weitem fällt am Meeresufer die steile Wand auf. Und am Meer entlang ist auch der Zuweg. Das Gebiet unterteilt sich optisch im zwei Abschnitte. Links befindet sich eine Grotte. In ihr herrscht oft ein großes Gedränge, da hier die kurzen Wege und auch die Mehrzahl der Fünfen zu finden sind . Rechts davon an der Wand ist nicht ganz soviel Betrieb. Was wohl an den überwiegenden im sechsten und siebten Grad zu findenden Schwierigkeiten liegt. Wer sich mit den vielen Menschen und der Salzschicht auf dem Felsen abfindet, kann hier einen wunderbaren Klettertag genießen.
Es gibt zwei Möglichkeiten die Cala die Luna zu erreichen. Zum einem mit dem Boot, im Frühling kann man sich ein Boot mieten. Im Sommer soll es einen regulären Fahrplan geben. Für die Wanderfreudigen lohnt sich der 1,5stündige Fußmarsch von Cala Fuili aus. Cala Luna gilt als eine der schönsten Strände des Mittelmeers. Eine weiße Bucht, welche rechts und links von Felsen eingeschlossen ist und in einem tieferen Tal ins Landesinnere ausläuft. Mit dem Auto ist sie nicht zu erreichen. Auf der linken Talseite befinden sich u.a. einige schöne Routen, in denen man gut steht. Auch einige Mehrseilwege sind dabei (ab 5c). Auf der rechten Seite gibt es kurze schwierigere Sinterkletterei im Durchschnitt ab 6c aufwärts. (Diese überließen wir unseren davon begeisterten Männern.)
Bei Ponte Codula Fuili handelt es sich um einen kleinen aber feinen Felsen im Schwierigkeitsbereich von 5b bis 6c. Alle Routen sind namenlos. Einige von ihnen hätten allerdings einen Namen verdient. Mehrer Sternchenwege begrüßen denjenigen der die Steinmännchen richtig deutet und den Weg zum Felsen findet. Uns hat es hier gefallen, obwohl wir größtenteils in zwei Richtungen zu kämpfen hatten. Zum einen, wie sonst auch üblich gegen die Schwerkraft, zum anderen gegen den Wind. Manchmal stellte sich die Frage was schwieriger war, besonders im Vorstieg, wenn der Wind plötzlich nachließ.
Schließlich kommen wir doch nicht mehr um den Regen herum, und so besuchen wir Cala Fuili. In diesem Gebiet kletterten wir bereits im letzten Jahr. Diesmal haben sich unserer Männer eine Grotte ausgesucht. Die Condom Stress verlangte einiges von ihnen ab, so dass wir es gar nicht erst versuchten. Danach hatten sie genug und wir machten uns auf eine Höhle zu besuchen (wie war doch gleich der Name?). Leider hatte sie wegen Umbauarbeiten geschlossen. Doch ein richtiger Höhlenforscher findet immer ein Schlupfloch und als der Regen aufhörte, fanden wir auf dem Heimweg noch unsere eigene Höhle.
Ostern kletterten wir in Margheddie. Es ist erstaunlich was man dabei manchmal in den Löchern findet. Der Regen überraschte uns auch heute, allerdings nur als leichter Niesel. So sahen wir am Ende unseres Urlaubs noch einen wunderbaren Regenbogen.
Zum Abschluss sei noch gesagt, man sollte sich nicht von den hohen Bewertungen abschrecken lassen. Ich bin in Sardinien höhere Schwierigkeitsgrade geklettert als in anderen Gebieten.